Sonntag, 28. Dezember 2014

Zwei Pechvögel unterwegs in Nairobi



"Es gibt schlechte Erlebnisse, aber keine schlechten Erfahrungen.“  - Hans Habe
Diesen Post hätte ich wahlweise auch "Alptraum Nairobi", "Schlimmer geht's nimmer" oder "Kurz vor einem Nervenzusammenbruch" betiteln können. Aber mal ganz von Anfang - Das Unglück nahm schon am Grenzübergang nach Kenia seinen Lauf:


1. Krise: Beim Grenzübergang mussten alle Buspassagiere aussteigen und ihren Pass stempeln lassen. Nach langem Warten hatten Louisa und ich es dann auch geschafft. Doch wo war unser Bus jetzt hin?!   

2. Krise:  Nach einem Sprint über das gesamte Gelände (es war übrigens stockfinster) fanden wir den Bus auf einem Parkplatz einen Kilometer entfernt. Als wir heilfroh im Bus saßen, rief Fr. Deo an, ob wir unseren Pass denn auch auf der kenianischen Seite gestempelt hätten.

3. Krise: Im Immigrationsbüro wurde uns mitgeteilt, dass wir 50$ für ein Visum bezahlen müssen, was uns vorher nicht bewusst war. Lautstarke Diskussionen mit den Grenzbeamten nahmen ihren Lauf.

4. Krise: Am Ende gaben wir auf (Diskussionen mit Beamten sind generell zwecklos) und wollten das Geld in Euro bezahlen. Unglücklicherweise hatte der Beamte kein Wechselgeld.

5.  Krise: Schon schweißüberströmt begann ein Konflikt mit einem dubiosen Mann, der uns das Geld zu einem unverschämt schlechten Kurs wechseln wollte. In unserer aussichtslosen Lage blieb uns jedoch nichts anderes übrig, als das Angebot anzunehmen.
  
6. Krise: Der Bus wartete schon über eine Stunde nur auf Louisa und mich. Aus diesem Grund rannte ich von dem Büro zum Bus. Der Sicherheitsbeamte fasste mein Laufen jedoch als Fluchtversuch auf und richtete sein Gewehr auf mich. Ich reduzierte mein Tempo drastisch und bewegte mich langsam zum Bus, wo die genervten Blicke der anderen Passagiere unsere Laune nicht gerade verbesserten.


Im weiteren Verlauf des Aufenthalts in Nairobi wurde ich von dem Gemeindepfarrer ins Krankenhaus gebracht, weil ich mich sehr schwach fühlte. Der Malaria-Test erwies sich als positiv und ich musste am Tropf hängen. Neben Schwindel, Schwächegefühlen und völliger Appetitlosigkeit war ich sehr oft am Zittern oder völlig schweißgebadet. Eine Nacht musste ich im Krankenhaus bleiben; danach wurden mir diverse Medikamente verschrieben – jeden Tag sollte ich theoretisch 22 Tabletten schlucken. Ansonsten war die medizinische Versorgung richtig super und die Schwestern und Ärzte haben sich sehr fürsorglich um mich gekümmert (was auch vielleicht daran liegen könnte, dass ich die einzige Patientin im ganzen Krankenhaus war). Ich bin sehr froh, dass ich meine erste und hoffentlich letzte Malaria überstanden habe.
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nie in Erfüllung gegangen sind. Wirklich arm ist der, der nie geträumt hat. (Maria von Ebern-Eschenbach)
Theoretisch wollten Louisa und ich nur vier Tage in Nairobi bleiben und Weihnachten in Uganda in unseren Einsatzstellen verbringen. Unglücklicherweise waren alle Busse nach Mbale bis zum 26.12 voll, sodass wir wohl oder übel Weihnachten bei den Schwestern im Konvent verbringen mussten.
Nachdem wir uns mit unserem Schicksal abgefunden hatten, war es jedoch gar nicht so schlimm. Als Dank für die Unterkunft haben Louisa und ich uns dazu bereiterklärt, zu kochen. Beim Einkaufen auf dem Markt ist Louisa ausgerutscht, in eine Grube gefallen und hat sich wahrscheinlich den Knöchel verstaucht. Dennoch war das Abendessen ein Erfolg und nach der Weihnachtsmesse am Abend sind wir Schlafen gegangen – ein relativ unspektakuläres Weihnachtsfest.
 
Es gab auch positive Aspekte an unserer Reise: Wir haben uns Nairobi von oben angeschaut – ein echt atemberaubender Ausblick. Außerdem waren wir in einem Waisenheim für Tiere – mit einer Baby-Giraffe, Löwen, Affen etc.. Mein persönlicher Höhepunkt war der Besuch des ARD-Studios, wo wir uns mit einer Auslandskorrespondentin unterhalten haben.
Alles in allem haben wir auf jeden Fall das Beste draus gemacht. Sowieso habe ich festgestellt, dass   der Moment einer Katastrophe zwar drastisch und todernst ist. Einen Tag später konnten wir aber immer über unser Pech lachen. Außerdem wäre das Leben auch stinklangweilig, wenn immer alles klappen würde, oder?
 
 

Sonntag, 14. Dezember 2014

Ein Monat voller Tanz, Gesang und jeder Menge Spaß


"Das Leben meistert man entweder lächelnd oder überhaupt nicht." - aus China
 Yoga kere! (Hallo zusammen!)
Etwas verspätet das Fazit meines dritten Monats in Uganda:

Mitte November stand für alle Schülerinnen des Mädcheninternats ihre erste Deutschklausur an. Die Ergebnisse waren sehr gut, obwohl ich der Meinung bin, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Die LehrerInnen meinten zwar, dass man die Schülerinnen während der Klausur nicht beaufsichtigen müsste, weil sie niemals Schummeln würde. Aufgrund von auffälligen Gemeinsamkeiten habe ich daran jedoch so meine Zweifel. Die besten fünf Deutschschülerinnen haben am Ende des Schuljahrs ein kleines Geschenk vom Schulleiter bekommen. Zudem wurden die Deutschnoten auch in ihre Zeugnisse eingetragen. Mich freut es sehr, dass der Deutschunterricht so geschätzt und ernst genommen wird.
Louisa war an einem Wochenende zu Besuch, und zusammen wollten wir das Nachtleben in Soroti erkunden. So viel gab es da aber leider nicht zu sehen, sodass wir am Ende des Abends vor dem Fernseher saßen und viel geredet haben. Außerdem haben wir uns durch den Second-Hand-Markt gewühlt und so einige kuriose Sachen gefunden.
Beim Friseur habe ich mir "Twists" flechten lassen. Nach sechs Stunden und fünf Packungen Haar-Extensions war die schmerzhafte Prozedur vorbei. Beim Blick in den Spiegel war ich von meinem Aussehen etwas geschockt – ich sah mich selber, wie eine Mischung aus Tarzan, Bob Marley und einer Vogelscheuche. Mittlerweile mag ich es aber ganz gerne leiden.

Sozusagen die "Oberstufe" des Kindergartens hat Ende November ihren Abschluss gefeiert. Das war ein echtes Spektakel – die Eltern sind gekommen, die Kinder trugen Umhänge und Kappen, sie bekamen Zertifikate und viele Geschenke. Es wurden Gedichte und Lieder vorgetragen und viel getanzt. Von morgens 7:00 bis abends 19:00 war ich im Kindergarten, und bin abends völlig fertig ins Bett gefallen.
 
Außerdem war ich bei einer "Introduction Ceremony", bei der sich ein angehendes Ehepaar vorgestellt wird. Obwohl das Paar sich schon über zehn Jahre kennt, ist diese Zeremonie eine Tradition, um zwei Familien zusammenzuführen. Der Mann soll der Familie der Frau dabei viele Geschenke machen, weil die Frau in die Familie des Mannes "übergeht". Trotz Regen war die Feier eine tolle Erfahrung.

Anfang Dezember war ich für ein paar Tage bei Louisa in Kumi. Wir haben uns bei einem nahegelegende Felsen Höhlenmalereien angeschaut. Fast noch besser als die imposanten Reliquen aus dem Steinzeitalter waren die süßen Äffchen, die auf den Bäumen herumkletterten.

Bei einem Tagesausflug nach Mbale fand Louisa  Geschmack an Grashüpfern.
Außerdem haben wir auf einem Raggea-Konzert mit vielen anderen deutschen Freiwilligen vom Roten Kreuz den berühmten Coco Finger in Aktion gesehen.
Auf der Rückfahrt von Kumi wurde ich Zeugin der berüchtigten Korruption; statt der erlaubten 14 Passagiere saßen wir mit 26 Personen (!!!) im Matatu. Als die Verkehrspolizei den Wagen anhielt, wechselten beim Händedruck zur Begrüßung ein paar Scheine den Besitzer und wir konnten einfach weiterfahren. 

Der CPI (Korruptionswahrnehmungsindex) von Uganda beträgt 26 von 100 möglichen Punkten. Damit rangt Uganda auf dem 140. von 175 Plätzen (zum Vergleich: Deutschland liegt auf Platz 12).

Zudem feierten wir diesen Monat unseren "Parish-Day". Zusammen mit dem Erzbischof feierten wir eine vierstündige Messe, währenddessen auch drei Paare verheiratet wurden. Ich hatte die Ehre, bei der Gabenübergabe in meinem Gomasi den Marsch anzuführen.

Letzte Woche war ich auf einer Jugendkonferenz in Acumet, bei der verschiedene Vorlesungen zu Themen wie Beziehungen, Ehe, Glaube und Kirche gehalten wurden. Mit einigen Tausend Jugendlichen feierten wir Gottesdienste unter dem Sternenhimmel und bekämpften die Dämonen in ihren finsteren Machenschaften. Die täglichen Teufelsaustreibungen waren eine richtig krasse Erfahrung. Keine Beschreibung würde an dieser Stelle dem Ritual gerecht werden, deswegen lasse ich es erstmal sein, und komme bei einem späteren Blogeintrag vielleicht darauf zurück. Ich brauche etwas Zeit, um das Gesehene zu verarbeiten und mir eine Meinung darüber zu bilden.
Noch so starke Hemmungen vor dem Tanzen und Singen waren vergessen, als ein kleines Mädchen voller Freude neben mir herumsprang und sich ihres Lebens erfreute. Das war ein Moment des Glücks, in dem die ganze schlechte Laune und alle Sorgen vergessen waren.

Alles in allem hatte ich einen sehr erfahrungsreichen und schönen Monat. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein, obwohl ich Kaminfeuer, Kekse backen, Schnee oder einen echten Weihnachtsbaum schon etwas vermisse. Aber diesen Verlust nehme ich für die Erlebnisse hier gerne in Kauf.
Die Kinder freuen sich immer, wenn sie mich sehen!

Dienstag, 2. Dezember 2014

"Die Regierung sollte kostenlose Kondome verteilen"

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt." - Mahatma Gandhi

Der gestrige Welt-Aids-Tag (jedes Jahr am 1. Dezember) soll auf die Krankheit HIV/AIDS aufmerksam machen, die Erfolge im Kampf wertschätzen, und an Verstorbene gedenken. In Uganda sind 7,3% der gesamten Bevölkerung, ca. 1,4 Millionen Menschen, mit HIV infiziert. Der HI-Virus ist die Infektion, die AIDS auslöst, wobei diese Infektion keine Symptome zeigt. AIDS führt nicht zum Tod, jedoch schwächt diese Krankheit das Immunsystem, sodass andere Krankheiten leicht zum Tod führen können.

Anstelle einer Tabuisierung werden hier viele Bemühungen angestellt, um ein Bewusstsein für AIDS zu schaffen. Um Diskriminierung, Stigmatisierung und dem Ausschließen von AIDS-Kranke entgegenzuwirken, wurden in Uganda schon viele Kampagnen gestartet (die Aktuelle trägt den Titel: „Protect your goal“).
„Ich habe keine Angst, jemandem mit AIDS zu begegnen. Wir sollten uns, uns um diese Menschen kümmern und ihnen helfen“, erklärt mir eine 14-jährige Schülerin des Mädcheninternats. Über HIV/AIDS haben die Mädchen in der 4. Klasse und von ihren Eltern erfahren. Nach einer Studie von UNICEF wüssten 72% der 15-24 jährigen jungen Frauen in Uganda nicht, wie sie sich vor AIDS schützen können. Daher überraschte es mich, dass die Schülerinnen so gut Bescheid wissen. „Man kann den Virus durch das Teilen scharfer Objekte, ungeschützten Sex und durch die Geburt bekommen“, erläuterte ein 15-jähriges Mädchen. Viele hätten Angst, dass das Resultat des Bluttests positiv ausfalle und verweigern deshalb, sich testen zu lassen. Früher ging eine positive Diagnose mit einem frühen Sterben, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit einher. Heutzutage ist die Lebenserwartung dank antiretroviraler Medikamente bedeutend länger.
Die Mädchen versicherten mir, dass sie vor ihrer Heirat definitiv einen Bluttest machen wollen. Auf meine Frage, wer für die Verhütung verantwortlich ist, waren sich die Mädchen einig, dass sowohl Mann und Frau sich darum kümmern müssten.
Abschließend fragte ich sie nach Ratschlägen, wie man die Situation verbessern könnte. Von „Die Leute müssen besser auf sich aufpassen“ über „Die Regierung sollte kostenlose Kondome verteilen“ bis hin zu „Lebe im Glauben an Gott und Jesus Christus“ waren viele unterschiedliche Vorschläge dabei. Dennoch glaube ich, dass in ländlicheren Regionen, in denen viele Mädchen keine Schulbildung genießen,eine derartige Aufklärung nicht der Fall ist. 

Am Sonntag appellierte Fr. Francis in seiner Predigt, sich besonders für die Waisen einzusetzen, deren Eltern an AIDS verstorben waren. Circa 1,1 Millionen Kinder sind derzeit, nach dem Tod beider Elternteile, auf sich alleine angewiesen. Oft können sie sich weder die Schulgebühren, noch Medikamente oder eine ausgewogene Ernährung leisten. Zudem fehlt vielen von ihnen die Liebe, die ein Kind von seinen Eltern verdient hat.
Ein Junge hat nach der Messe eine ergreifende Rede über sein Schicksal gehalten. Nach seinen Worten erhoben sich besonders viele Menschen, um in der zweiten Kollekte Geld für TASO ("The AIDS Support Organization") zu spenden. Beim "Carwash" zugunsten von TASO, ging Fr. Francis als Vorbild voran und half dabei, die Autos zu waschen.

Abends fand ein Wohltätigkeits-Dinner für TASO statt, bei dem sogar die Gesundheitsministerin zu Gast war. Sie fragte, wie viele anwesenden Eltern, ihre Kinder vor der Hochzeit dazu ermahnten, einen Bluttest durchzuführen – nur eine einzige Hand erhob sich. Sie erklärte, dass sich in Uganda jeden Tag 351 Menschen neu infizierten - 20% davon allein durch Mutter-Kind-Übertragungen. „Viele ugandischen Jugendliche verhalten sich leichtsinnig, denn sie fürchten zwar eine Schwangerschaft, aber keine Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten“, kritisierte sie. Außerdem sei es vielen Männern peinlich, sich testen zu lassen, oder die Medikamente zu holen.
An diesem Abend kam glücklicherweise sehr viel Geld für den guten Zweck zusammen. Auch das Essen, welches jedoch eher im Hintergrund stand, schmeckte richtig gut und hat die Feier, meiner Meinung nach, perfekt gemacht.



Gestern machten wir uns mit einer Delegation der „Generation-for-Peace“-Gruppe auf den Weg nach Kamuda, um den Welt-AIDS-Tag unter dem Motto „Getting to 0 – my responsibility“ gebührend zu feiern. Auf der dortigen Feier wurden neben Krebs-Untersuchungen, kostenlosen Beschneidungen, Beratung, Bluttests, und Training in der Benutzung von Kondomen viel Unterhaltung angeboten. In Liedern, Sketchen und Gedichten wurden sowohl die ernsten und traurigen Seiten von HIV/AIDS beleuchtet, als auch ein humorvoller, positiver Umgang mit der Krankheit. Viele Stücke thematisierten die Problematik des Fremdgehens in einer Beziehung und kritisierten Sugar-Daddies/-Mommys. Auch unsere Truppe führte ein Lied und ein kurzes Theaterstück auf, wofür wir als Dank 500 Kondome als Geschenk erhielten.
Alles in allem wurde in den letzten Tagen viel Solidarität, Unterstützung und Mitgefühl gegenüber Betroffenen gezeigt. Die Botschaften waren eindeutig, jedoch kommt es darauf an, ob das angepredigte Verhalten auch im Alltag umgesetzt wird. Es existieren immer noch viele Irrglauben um die Krankheit; zum Beispiel, dass diese durch Hexenkraft oder schwarze Magie ausgelöst wird. Oder, dass nur eine Frau diesen Fluch in eine Familie bringen kann. Ich glaube, dass Wissen durch Aufklärung die beste Präventionsmaßnahme ist, um eine weitere Verbreitung dieser Krankheit zu verhindern, die schon viel zu vielen Menschen das Leben gekostet hat.