"Jeder Abschied schmerzt, egal wie
lange man sich schon auf ihn freut."
Überwältigendes Chaos der Gefühle
Es ist wohl nicht übertrieben, wenn
ich glaube, dass mich die letzten elf Monate mein ganzes Leben lang
begleiten werden. Wie oft werde ich wohl an diese Zeit zurückdenken.
Julia freut sich riesig, ihre Familie,
Freunde und Heimat wiederzusehen.
Elaete verspürt bedrückende
Ungewissheit darüber, was ihre Zukunft bringen wird.
Julia ist gespannt, was sich in ihrer
Heimat in der Zwischenzeit verändert hat.
Elaete ist unbeschreiblich traurig,
ihre Heimat hinter sich zu lassen.
Hat's was gebracht?
Dieses Jahr hat mich definitiv auf den
Boden der Tatsachen zurückgebracht und mir viele Seiten an mir
selber aufgezeigt, die mir vorher nicht bewusst waren. Schon die ganz
kleinen Freuden im Leben erfüllen mich derzeit mit Glück. Wenn ich
darauf blicke, was ich mir für das Jahr vorgenommen habe, bin ich
sehr zufrieden. Obwohl ich glaube, dass der Weg zum inneren Frieden
wohl ein lebenslanger Prozess sein wird.
Ich hatte befürchtet, zu vielen
Menschen, die mir viel bedeuten aufgrund der großen Distanz den
Kontakt zu verlieren. Das Gegenteil ist jedoch eingetreten – ich
bin überrascht, mit wie vielen wunderbaren Menschen ich über das
Jahr Kontakt halten konnte. Manchmal hat es eine Ewigkeit gedauert,
bis ich geantwortet habe, aber besser spät, als nie.
Vorfreude und
Abschiedsschmerz
Neben meiner Familie, meinen Freunden
und meiner Heimat empfinde ich eine riesige Vorfreude auf die ganzen
banalen Dinge, die ich über das Jahr vermisst habe:
Elektrische Geräte wie
Waschmaschine, Trockner, Staubsauger, Glätteisen, Föhn, Lockenstab,
W-Lan-Router, sowie eine beständige Stromversorgung.
Mein Kleiderschrank in
Deutschland und Teile wie Jeans, Miniröcke, Bikini und kurze Hosen.
Lebensmittel wie Pizza, Döner,
Wasser mit Kohlensäure, Salat, Käse, Quark, dunkles Brot und
Brötchen, Müsli, Fast-Food und Cocktails.
Events wie Mädelsabende, Kino,
Partys, Diskotheken, Restaurantbesuche und
Essensbestellungen
Oder "Typisch
Deutsch"-Attribute (die mich vor einem Jahr noch unglaublich
gestört haben) wie Ordnung, Bürokratie, Spießigkeit,
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Struktur
Außerdem: Autobahnen, Dusche mit
regulierbarer Temperatur und meine Privatsphäre
Mein ugandisches Leben war sicherlich
um einiges bescheidener. Dennoch wird mir diese Einfachheit in
Zukunft bestimmt fehlen. Zudem fällt mir der Abschied zu all den
wunderbaren Menschen sehr schwer. Die Kollegen bei TASO, die Aunties
und Kinder von Amecet, die Mädchen im Internat, die Leute aus der
Gemeinde, die Lehrerinnen der Sonntagsschule. Außerdem wird mir der
tägliche Sonnenschein, die vielen Früchte und die sehr präsente Lebensfreude fehlen.
Es war nicht immer einfach
Natürlich hatte ich im letzten Jahr
auch Schwierigkeiten, Hindernisse und Herausforderungen.
Zum Beispiel musste ich mit
Hautproblemen und unzählig vielen Mückenstichen kämpfen. Reichlich
Narben werden mich sicherlich noch lange an Uganda erinnern.
Das rege Treiben der Ratten auf dem
Dach riss mich oft aus dem Schlaf.
Ständig ungewollt im Mittelpunkt zu
stehen und angestarrt zu werden haben mich ziemlich genervt. Die
stinkenden Windeln der Babies waren auch keine
Annehmlichkeit./Freuden
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Achtstündige Messe |
Doch die wirklich schwierigen Aspekte
waren keine Äußerlichkeiten, sondern spielten sich in meinem Kopf
ab. Unzählige Stunden konnte ich einfach nur dasitzen und
Erfahrungen, Gefühle, Gedanken und Wertunterschiede reflektieren. Im
letzten Jahr habe ich mir viel Zeit für mich selber genommen. Ich
glaube, dass ich nun besser weiß, was ich brauche, was ich will, und
was ich kann. Oft habe ich vor dem Dienst mit mir gehadert, ob ein
solches Jahr nicht verschwendete Zeit ist, und ob es nicht
effizienter ist, direkt mit einem Studium zu beginnen. Ich würde
jedem dazu raten, sich nach der Schulzeit bewusst Zeit zu nehmen, um
etwas ohne Leistungsdruck zu tun. Gewiss habe ich bei der Arbeit
immer sorgfältig gearbeitet, jedoch hat niemand Meisterleistungen
oder gar Perfektion erwartet. Befreit von diesem Druck fiel es mir
sehr leicht, mich so zu geben, wie ich bin und abzuschalten. Früher
oder später wäre ich bestimmt an einem Burn-Out erkrankt, wenn ich
nicht gelernt hätte, wie wichtig es ist, eigene Bedürfnisse und
Moralvorstellungen in den Vordergrund zu stellen. Denn am Ende bin
ich nur mir selber Rechenschaft schuldig.
Das nehme ich aus Uganda mit
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Immaculate Girls Secondary School |
Am Anfang kannte ich niemanden und
hatte überhaupt keinen Plan, was ich machen soll. In den letzten
Monaten habe ich mich so viel aufgebaut, was ich nun einfach hinter
mir lassen werde. Ich habe viele Freunde gefunden und mir sind auch
meine Projekte wirklich ans Herz gewachsen. Ich habe gelernt, meine
Wäsche mit der Hand zu waschen und mit Babies umzugehen. Ich habe
mich in eine fremde Kultur integriert und eine neue Sprache gelernt.
Ich habe gelernt, geduldiger zu sein und mich bei meiner voreiligen
Meinungsbildung zurückzuhalten. Ich denke positiver und nehme mir
bewusst mehr Zeit für mich selber.
Ich habe viele selbstverständliche Dinge aus Deutschland zu schätzen gelernt. Ich kann besser mit Langeweile umgehen und kann besser mit meinen Fehlern umgehen. Außerdem musste ich feststellen, dass mich Facebook nervös macht und das Deinstallieren von Whatsapp sich in gewisser Weise befreiend angefühlt hat.
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Meine Arbeitskollegen bei TASO
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Danksagung
An dieser Stelle möchte ich auch dem
Bistum Osnabrück und dem gesamten FDA-Team danken, dass sie mir
dieses Jahr ermöglicht haben. Etwas Besseres hätte mir nicht
passieren können.
Ich bin außerdem so dankbar für meine
Freunde und Familie, die mir über die gesamte Zeit den Rücken
gestärkt haben und denen ich mich zu jeder Zeit anvertrauen konnte.
Ausblick
Vielleicht kommt noch ein Post über meine (wie Papa es nennt) „Wiedereingliederung“. Vielleicht aber auch nicht. Wir werden sehen.
Letzter vielsagender und
tiefgründiger Abschnitt
...Alles hat seine Zeit. Die Zeit zum
Gehen ist gekommen. Und so sitzt Elaete mit Tränen in den
Augen und Julia mit einem Lächeln im Gesicht da. Nachdem Julia in
Uganda alles gegeben hat, muss sich nun Elaete in Deutschland
beweisen. „Mam ipodo“, flüstert Julia ihr ins Ohr. „Es wird
schon alles gutgehen“.